Re: zahmes Nympfensittichweibchen zeitweilig aggressiv
[ Das Sittichfreunde-Forum von Sittiche Online ] Geschrieben von Silke am 11. Januar 2000 12:48:43:
Als Antwort auf: zahmes Nympfensittichweibchen zeitweilig aggressiv geschrieben von Manfred am 06. Januar 2000 18:09:40:
Lieber Manfred,
der Inhalt meiner Antwort ist eigentlich dieselbe: der Vogel muß verpaart werden.
Ich möchte aber noch ein bißchen darauf eingehen: Der Vogel versucht mit seinem Verhalten (geduckte Stellung), Dich zur Paarung aufzufordern. Dann ergeht es ihm wie auch so mancher menschlicher abgewiesener Dame, sie wird aggressiv, weil sie ignoriert wird.
Auf die Dauer muß ein Mann her, so salopp kann man es eigentlich sagen.
Ich bin sicher, daß Du Deiner Henne keine Sorgen bereiten willst und Dich schon zu einem Gefährten durchringen wirst, aber das vermutlich Bedenken eine Rolle spielen, wie Du unerwünschten Nachwuchs verhindern kannst... Und ich muß sagen, es geht. Allerdings sollte man damit nicht erst solange warten, bis die Fortpflanzungswünsche der Henne zur Psychose ausgewachsen sind, dann ist ihr nämlich schwer beizukommen.
Wie gesagt, ein Hahn muß her. Der sollte charakterlich zu Deiner Henne passen, der Erstbeste muß dabei nicht der Beste sein. Im Glücksfall wird sie ihn begeistert aufnehmen und die beiden zärteln schon nach kurzer Zeit miteinander. Im weniger günstigen Falle zeigt sie sich zugeknöpft und wehrt jeden Balzversuch wirsch ab. Nun ja. Da sollte man geduldig sein und beiden auf jeden Fall vorübergehend getrennte Käfige, aber gemeinsamen Freiflug gönnen. Im ungünstigsten Falle streiten sie sich heftig oder ignorieren sich auch Wochen später noch, dann solltest Du den Romeo noch einmal umtauschen. Kann sein, der Charakter behagte ihr nicht, daran läßt sich, wenn man schon vorab das Umtauschrecht beim Züchter vereinbart, dann noch etwas ändern.
Es kann aber auch sein, daß sie dem Hahn deshalb keine Chance gibt, weil sie Dich immer noch als Bezugsperson, also als "ihren Hahn" ansieht. Da sie Dir diese eindeutigen Angebote gemacht hat, muß die Prägung doch schon etwas vollzogen sein.
In diesem Falle - und vorausgesetzt, daß es keine erheblichen Differenzen zwischen den Nymphies, sondern nur die Nichtbeachtung durch die Henne gibt - müßtest Du Dich, so schwer es Dir auch fallen mag, für einige Tage, vielleicht auch zwei Wochen (vielleicht Urlaub?) gänzlich aus ihrem Leben zurückziehen. Maximal noch füttern, aber keine Spiele, kein Schmusen. Erst wenn sie kapiert, daß Du nicht (mehr) ihr Partner bist, wird sie dann dem neuen Hahn eine Chance geben. Nymphen können sehr partnertreu sein, das würde ihr u. U. hier sonst zum Verhängnis.
Sind die beiden erst einmal liiert, mußt Du nicht mehr "flüchten".
Vertragen sie sich gut oder sogar noch besser, kann natürlich Brutlust aufkommen. Dieser begegnet man wie folgt: Stellt man fest, daß die Henne wiederholt Eier legt (diese fallen zunächst in den Sand und werden üblicherweise nicht weiter beachtet), mußt Du ihr einen Nistkasten anbieten. Die Eier, die sie legt, stichst Du mit einer Nadel an. So trocknen sie aus, bevor sich ein Embryo darin entwickelt. Die Henne brütet gewöhnlich 3 Wochen, manchmal etwas länger darüber und stellt dann fest, daß das Gelege unfruchtbar ist. Das ist kein Drama, es passiert auch vielfach in der Natur, daß die Jungen nicht schlüpfen.
Nun wird der Kasten samt Gelege entfernt.
Bereits in der zweiten Brutwoche solltest Du das Futter rationieren. Das ist notwendig, damit die Henne, deren Brutlustigkeit nicht durch Jahreszeiten, sondern durch das Nahrungsangebot und das Angebot an Nistplätzen, Partner, aber auch Langeweile etc. gesteuert wird, erkennt, daß jetzt keine gute Brutzeit ist.
In der freien Wildbahn brüten die Hennen nur in der Vegetationszeit, die durch den Regen, der selten in der Australischen Steppe so reichlich fällt, ausgelöst wird. Dann beeilen sich die Vögel, um in der kurzen Zeit des Überflusses so viele Jungvögel wie möglich flügge zu bekommen.
Den Rest des Jahres müssen sie ihr Futter müßig suchen. Das macht aber nichts, schließlich sind sie gute Futterverwerter: jedes Gramm zuviel bildet Speck für die karge Zeit. (in der Gefangenschaft bildet jedes Gramm zuviel Speck, den sie sich niemals wieder abtrainieren und der sie krank macht, wenn sie nicht unheimlich viel fliegen und ein bißchen auf die Ernährung geachtet wird)
Zur Reduktion des Futters sollte man die Saatenauswahl auf fettärmere Saaten umstellen: der Großteil sollte aus Grassaaten und Hirsen gebildet werden mit einem massemäßig geringerem, aber trotzdem vielfältigen Anteil von Wildsämereien. Besonders fettreiche Saaten wie Hanf, Leinsaat, Kardi, Negersaat, Nachtkerzensaat etc. sollten in geringeren Teilen verfüttert werden. Auf Sonnenblumenkerne solltest Du - auch aus Gründen der Verpilzung - lieber gänzlich verzichten. Kardi (in Maßen) ist ein guter Ersatz. Erdnüsse sollten keine Nymphen (und wegen der hochgradigen Verpilzung auch möglichst keine anderen Vögel) bekommen.
Das Futter sollte portioniert werden. Mehr als 3 EL (bei kleinerer Statur, da könnte Dich ein Vogelarzt z. B. gut beraten bzw. Du kannst ja noch einmal, wenn Du magst, darauf zurückkommen, auf jeden Fall weniger) Körnerfutter pro Tag sollten sie nicht bekommen. Gibt es frische nähhafte Saaten wie Mais etc., muß das Futter nochmals reduziert werden. Kolbenhirse muß ebenfalls mengenmäßig berücksichtigt werden. Darüber hinaus sollten die Vögel aber zusätzlich regelmäßig frische Kräuter (Vogelmiere, Hirtentäschel etc.) und frisches Obst bzw. Gemüse (kein Kohl, keine Avocado) angeboten bekommen.
Haben die Vögel viele Spielmöglichkeiten und ist die Ernährung nicht überreichhaltig und die Partner harmonieren (das ist kein Widerspruch, es gibt ja auch das Frustbrüten der Hennen auf unbefruchteten Eiern), gibt es auch kein Problem mit der Vermehrung.
Diese ganze Sache erfordert keinen regelmäßigen Aufwand: Die Saaten bestellt man sich in der gewünschten Mischung und portioniert sie mit einem Eßlöffel, das Grünfutter sollte ohnehin auf dem Speisezettel stehen und die Verpaarung ist eine Sache, die einmal Mühe macht, die dem Halter auch auch viel Spaß bereiten kann und sehr spannend ist.
Doch zum Abschluß noch ein Wort zu Hormonspritzen und Co. Sicherlich wirst Du bei Deinen Fragen auch schon einmal einen Hinweis auf Hormonspritzen bekommen haben. Dazu kann ich nur sagen, Du mußt entscheiden, was Dir wichtig ist. Ist es Deine persönliche Ruhe vor Deiner Nymphiehenne oder die Gesundheit und das Glück des Vogels? Die Hormone wirken zunächst auf die Triebigkeit der Henne, die Brutlust ebbt ab. Vorerst zumindest. Sie kehrt aber zurück und - je länger man die Behandlung betreibt - desto geringer werden die Abstände, in denen nachgespritzt werden muß. Die Hormone greifen wiederum massiv in die biologischen Abläufe des Vogelkörpers ein, was zu Verhaltensänderungen, aber eben auch zu körperlichen Veränderungen führen kann. Und schließlich, Du beseitigst nicht die Ursache. Die Henne fühlt sich nach wie vor hin und her gerissen und Du läufst zu guter Letzt Gefahr, daß sie zur Dauerlegerin wird, wenn ihr mit Hormonen nicht mehr beizukommen ist. In diesem Stadium gibt es dann für Dich auch keine Wahl mehr: Sie muß verpaart werden (was zu diesem Zeitpunkt nicht einfacher sein wird) und mit großer Sicherheit auch erfolgreich Nachwuchs aufziehen, damit sie zur Ruhe kommt.
Tust Du es nicht, wird sie sich zu Tode legen.
Deshalb empfehle ich Dir wärmstens: Mach Nägel mit Köpfen, solange der Zustand noch nicht kritisch wird, denn später fängt der Ärger erst richtig an.
Gruß, Silke.